Was Forscherinnen und Forscher in den vergangenen Jahren über Katzen herausgefunden haben

Veröffentlicht am : 29. Mai 2023
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Manch ein Leser wird sich schon einem al gefragt haben, warum er oder sie sich eine Katze angeschafft hat. Dieser Gedanke kommt immer dann auf, wenn wieder irgendetwas kaputtgegangen ist – beispielsweise die Keramikschüssel, die die Katze kürzlich vom Küchentisch gestoßen hat.

Im Gegensatz zu Hunden, die in jeder Hinsicht von uns abhängig sind – auch hinsichtlich ihres emotionalen Wohlbefindens –, scheinen Katzen eher Soziopathen zu sein. Die meisten Katzenbesitzer (wenn man das Wort Besitzer überhaupt verwenden kann) haben wohl den Verdacht, dass ihre Katze sie sofort verlassen würde, wenn sie nicht mehr dazu in der Lage wären, ihre Futterdosen zu öffnen. Eine Katze kommt natürlich ab und zu auch zum Kuscheln vorbei – aber es kann auch sein, dass sie einfach nur Wärme sucht. Obwohl Katzen bereits seit Tausenden von Jahren mit Menschen zusammenleben, ist es fraglich, ob sie dadurch überhaupt je zahmer geworden sind.

Vielleicht werden Katzen aber auch bloß missverstanden. Im Vergleich zu Hunden drücken sie sich viel subtiler aus, so dass viele Menschen ihr Verhalten nicht deuten können. Aktuelle Untersuchungen haben ergeben, dass Katzen womöglich sozial intelligenter sind und sich vertrauten Menschen stärker anpassen, als viele Katzenbesitzer denken. Diese Studien deuten sogar darauf hin, dass, man mag es kaum glauben, Katzen uns mögen. Außerdem zeigen genetische Untersuchungen immer deutlicher, wie stark Katzen wirklich domestiziert wurden.

Katzen und Hunde sind die beliebtesten Haustiere der Welt, und doch verhalten sie sich Menschen gegenüber sehr unterschiedlich. Hunde stürmen aufgeregt zur Haustür, wenn man nach Hause kommt, während Katzen distanziert und gleichgültig wirken können. Das hängt weitgehend auch mit der Geschichte der Domestizierung dieser beiden Arten zusammen.

Während Hunde von Wölfen abstammen, die sehr soziale Wesen sind, waren die wilden Vorfahren der Katzen eher Einzelgänger. Die Domestizierung der Katzen begann vermutlich vor rund 10 000 Jahren im östlichen Mittelmeerraum. Im Jahr 2004 berichteten Archäologen von einer Katze, die vor rund 9500 Jahren gemeinsam mit einem Menschen auf Zypern bestattet worden war. Das Grab gehört zu den ältesten Belegen für eine frühe Katze-Mensch-Beziehung.

3 Jahrzehnte lang hat Leslie A. Lyons von der University of Missouri die DNA von Katzen gesammelt und eine Reihe genetischer Marker untersucht, um ihre Evolutionsgeschichte zu erforschen. „Im Endeffekt ist die Geschichte immer die gleiche“, sagt die Wissenschaftlerin. Im Jahr 2008 stellte ihr Team DNA-Proben von mehr als 1100 Individuen von fünf Kontinenten zusammen. „Die größte Vielfalt findet sich im Vorderen Orient“, sagt Lyons. Und das deute darauf hin, dass die Population dort ihren Ursprung haben dürfte. Das bestätigt auch eine Studie vom November 2022, für die sie mit ihren Kollegen DNA-Proben von mehr als 1000 Katzen sammelte. Auch hier zeigte sich, dass der östliche Mittelmeerraum die Region sein muss, in der Katzen zuerst domestiziert wurden.

Katzen suchten die Gesellschaft von Menschen vor ungefähr 10.000 Jahren, also zu der Zeit, da die Bewohner des östlichen Mittelmeerraums das Leben als Jäger und Sammler hinter sich ließen und mit der Landwirtschaft begannen. Dadurch fingen sie an, Vorräte an Getreide wie Weizen anzulegen. „Das hat Nagetiere und andere Schädlinge angelockt“, erklärt Danijela Popović von der Universität Warschau in Polen. „Und die vielen Nager haben schließlich Katzen angezogen.“

Menschen haben Katzen also höchstwahrscheinlich nicht absichtlich domestiziert, sondern die Katzen fanden zum Menschen ohne dessen aktiven Zutuns. „Katzen fanden es gut, Menschen nahe zu sein, weil da das Futter war“, sagt Popović. Menschen hätten es umgekehrt aber auch ganz komfortabel gefunden, Katzen in ihrer Nähe zu haben. Wenn überhaupt, dann haben sich Katzen also selbst domestiziert.

Im Jahr 2014 beschrieb ein Team, dem auch Lyons angehörte, die erste vollständige Genomsequenz einer Hauskatze, die von einer Abessinierkatze namens Cinnamon stammte. Im Vergleich zu Wildkatzen zeigten mehrere Regionen des Genoms Anzeichen dafür, dass sie sich durch natürliche Selektion verändert hatten. Das traf unter anderem auf Gene zu, von denen angenommen wird, dass sie eine Rolle bei der Angstkonditionierung – der Fähigkeit, Angstreaktionen auf zuvor harmlose Reize zu entwickeln – und beim Lernen durch Belohnungen eine Rolle spielen. Einige Katzen wurden so vermutlich einst Menschen gegenüber toleranter, vielleicht weil sie mutiger oder weniger ängstlich waren. Diese Katzen konnten sich von den Mäusen ernähren, die sich in der Nähe von Menschen tummelten – und erlangten dadurch einen evolutionären Vorteil gegenüber Artgenossen, die Menschen skeptisch betrachteten.

Mit der Zeit vertiefte sich die Katze-Mensch-Beziehung immer weiter. Im alten Ägypten wurden die Vierbeiner sogar mumifiziert. Lyons und ihre Kollegen nutzten DNA von Katzenmumien, um zu belegen, dass die Tiere schon damals domestiziert waren. Später trug das Römische Reich dazu bei, dass sich Hauskatzen auf der Welt verbreiteten.

In einer im November 2020 veröffentlichten Studie führen Popović und ihre Team Beweise dafür an, dass afrikanische Wildkatzen vor 8000 Jahren tatsächlich bis nach Polen gewandert sein könnten – oder dass sie sich mit eurasischen Katzen paarten, die dadurch einen Teil ihrer charakteristischen DNA aufnahmen. Das könnte die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2018 erklären, der zufolge Katzen in Zentraleuropa bereits 2000 Jahre vor den Römern einige der genetischen Marker trugen, die bei domestizierten Katzen gefunden wurden. Die wilden Vorfahren der Hauskatzen werden je nachdem, wen man fragt, als afrikanische Wildkatzen oder Wildkatzen aus dem Vorderen Orient bezeichnet. Die Verwirrung entsteht, weil sich die verschiedenen Wildkatzenarten und -unterarten alle bis zu einem gewissen Grad miteinander fortpflanzten und es noch heute tun.

Erst in den vergangenen 200 Jahren hat der Mensch damit begonnen, Katzen selektiv zu züchten. Dabei standen allerdings eher optische als praktische Erwägungen im Vordergrund. Die meisten Katzen paaren sich nach wie vor, wie es ihnen gefällt – im Gegensatz zu Hunden, die seit Jahrhunderten gezüchtet werden, um bestimmte Funktionen zu erfüllen, sei es hervorragend zu jagen oder in eine Handtasche zu passen. Und im Gegensatz zu Hunden streifen die meisten Katzen immer noch durch die Natur und gehen ihren natürlichen Verhaltensweisen wie Jagen nach. Im Vergleich zu anderen domestizierten Tieren können Katzen ihren Tagesablauf sogar weitgehend selbst bestimmen. „Katzen sind also nur halbdomestiziert“, sagt Lyons. „Wenn man alle Katzen frei lassen würde, kämen sie wahrscheinlich ganz gut zurecht, weil sie Vögel, Mäuse, Ratten und Eidechsen erlegen würden, um zu überleben.“ Für Katzen ist es letztlich also gar nicht so wichtig, sich an den Menschen anzupassen.

Das hält uns natürlich nicht davon ab, sie in hohem Maß zu vermenschlichen. Nicht nur Hundehalter sprechen mit ihren Haustieren in einer ähnlich hohen Tonlage wie mit Babys und Kleinkindern. Darauf deutet etwa eine 2022 veröffentlichte Studie von Charlotte de Mouzon von der Universität Paris Nanterre und ihren Kollegen hin. „Wir haben aufgezeichnet, wie Menschen mit ihren Katzen sprechen“, berichtet sie. Alle Probanden hätten die Babysprache für ihre Lieblinge benutzt.

Können Katzen sprechen? Die kurze Antwort lautet Nein, dennoch sind sie womöglich besser darin, zu kommunizieren, als viele annehmen.

Gabriella Smith vom Messerli-Forschungsinstitut in Wien, Österreich, ist eine von mehreren Forscherinnen und Forschern, die an TheyCanTalk beteiligt sind, einem Citizen-Science-Projekt, bei dem die Kommunikationsfähigkeiten von Haustieren einschließlich Katzen getestet werden. Dabei beobachten die Beteiligten, ob die Tiere lernen können, Knöpfe zu drücken, um einfache, aber spezifische Botschaften zu übermitteln. „Das Drücken der ›Draußen‹-Taste bedeutet, dass sie raus wollen“, erklärt Smith, „während das Drücken der ›Wasser‹-Taste darauf aufmerksam machen soll, dass etwas mit dem Wasser nicht in Ordnung ist.“

Im Vergleich zu Hunden ist die Kommunikation mit Katzen viel schlechter erforscht, auch weil es schwieriger ist, mit Katzen zu arbeiten: Sie sind weniger bereit, sich mit Leckerlis bestechen zu lassen. Daher der Citizen-Science-Ansatz: „Es ist von Vorteil, Katzen zu Hause zu untersuchen, wo sie sich natürlich verhalten“, sagt Smith.

Bisher sind rund 300 Katzen für das Projekt registriert, das sich noch ganz am Anfang befindet. Wenn Katzen aber wirklich lernen können, die richtigen Knöpfe zu drücken, wirft das eine andere Frage auf: Was verstehen sie von dem, was sie tun? „Da muss keine Kommunikationsabsicht vorhanden sein“, sagt Smith. Eine Katze könnte einfach lernen, dass das Drücken eines bestimmten Knopfes mit dem Öffnen der Tür verbunden ist, ohne zu begreifen, dass dies nur geschah, weil ein Mensch die Nachricht erhalten hat.

Machen wir uns selbst etwas vor? Vielleicht nicht. Studiert man das Verhalten von Katzen genau, stellt man fest, dass sie sich mehr auf uns einstellen, als uns bewusst ist. „Es gibt haufenweise Stereotype über das Verhalten von Katzen“, sagt Kristyn Vitale vom Unity College in Maine. „Viele dieser Vorstellungen werden jedoch von aktuellen Untersuchungen nicht bestätigt.“ So wissen Katzen zum Beispiel, wann Menschen mit ihnen sprechen. In einer Studie vom Oktober 2022 zeichneten de Mouzon und ihre Arbeitsgruppe Katzenbesitzer auf, die sowohl mit hoher Stimme als auch normal sprachen. Sie nahmen auch Fremde auf, die das Gleiche sagten. Wenn die Katzen ihre Besitzer mit der hohen Stimme sprechen hörten, änderten sie ihr Verhalten: Sie schauten sich um, wurden still oder bewegten ihre Ohren und Schwänze. Sie reagierten jedoch nicht auf die Rufe Fremder, die mit hoher Stimme sprachen. „Sie betrachten nicht alle Menschen als gleich“, schlussfolgert de Mouzon.

Eine Reihe überraschender Entdeckungen hat in den vergangenen Jahren auch eine Gruppe japanischer Forscher gemacht. Im Jahr 2019 ergab eine von Atsuko Saito an der Universität Tokio geleitete Studie, dass Hauskatzen ihren Namen erkennen. Ihre Ohren und Schwänze bewegen sich anders, wenn sie Aufnahmen von ihren Besitzern hören, die ihren Namen sagen, verglichen mit anderen Wörtern, die ähnlich klingen. Ihre Katze daheim wird Sie vermutlich dennoch ignorieren, wenn Sie sie rufen. „Katzen sind nicht darauf ausgelegt, auf menschliche Signale zu reagieren“, sagte Saito damals dem „New Scientist“. „Sie kommunizieren mit Menschen, wann sie wollen.“

Laut anderen Untersuchungen reagieren Katzen aber auf andere Art auf ihre Besitzer. Im Jahr 2021 konnte das japanische Team zeigen, diesmal unter der Leitung von Saho Takagi an der Universität von Kyoto, dass Katzen mental „abbilden“ können, wo sich ihre Besitzer im Raum befinden, indem sie auf deren Stimmen achten. Als aus verschiedenen Lautsprechern aufgezeichnete Stimmen abgespielt wurden, die klangen, als hätte sich der Mensch plötzlich von einer Seite des Raums zur anderen bewegt, bewegten die Katzen ihre Ohren und sahen sich um – scheinbar überrascht. „So aufmerksam hören sie Menschen zu“, sagt Takagi.

De Mouzon und ihr Kollege Gérard Leboucher, ebenfalls an der Universität Paris Nanterre, stellten im September 2022 außerdem fest, dass sich Katzen einem Menschen schneller nähern, wenn dieser ihren Namen sagt und ihnen gleichzeitig die Hand hinhält. Das deutet darauf hin, dass Katzen mehrere Signale von Menschen verarbeiten können. Darüber hinaus haben Takagi und Kollegen herausgefunden, dass Katzen Eifersucht zeigen – was sie testeten, indem sie die Reaktion der Katzen beobachteten, während deren Besitzer eine realistisch aussehende Spielzeugkatze oder ein pelziges Kissen streichelten.

Die vielleicht überraschendste Erkenntnis stammt von Kristyn Vitale. In einer Studie aus dem Jahr 2017 präsentierten sie und ihre Kollegen Katzen eine Auswahl von vier Reizen: Futter, ein Spielzeug, einen angenehmen Geruch oder die Interaktion mit einem Menschen. Die meisten Katzen wählten den Menschen noch vor dem Futter.

2019 wollte Vitale deshalb in einer Nachfolgestudie ergründen, wie es tatsächlich um die emotionale Bindung von Katzen an ihre Besitzer bestellt ist. Dazu nutzte sie einen Test, der in etwas abgewandelter Form auch bei Kleinkindern angewendet werden kann, um die Bindung an ihre Eltern zu untersuchen. 70 Kätzchen im Alter von drei bis acht Monaten wurden dazu nacheinander von ihren Besitzern in ein fremdes Zimmer gebracht. Nach zwei Minuten verließen die Besitzer den Raum und ließen die Kätzchen für zwei Minuten allein zurück. Dann kam der Besitzer zurück. Die meisten Tiere – 64 Prozent – zeigten Anzeichen für eine sichere emotionale Bindung: Als ihre Besitzer zurückkehrten, interagierten sie sofort mit ihnen und schienen sich zu freuen, sie zu sehen, um dann – beruhigt und selbstbewusst – den Raum weiter zu erkunden. „Sicher gebundene Katzen sehen ihre Bezugsperson als Quelle von Trost und Sicherheit“, sagt Vitale. „Diese Studie zeigt, dass Katzen durchaus auch eine starke Bindung zu Menschen aufbauen können.“

Insgesamt könnten wir Katzen also lange missverstanden haben. Das hängt auch damit zusammen, dass sie im Gegensatz zu Hunden keine Tiere der großen Gesten sind. Zum Teil besitzen sie nicht einmal die anatomischen Grundvoraussetzungen dafür: So haben Katzen zum Beispiel nie die Muskeln dafür entwickelt, ihre Augenbrauen zu heben und einen sprichwörtlichen Hundeblick aufzusetzen.

Spannend wäre zu wissen, ob Katzen sich noch stärker an den Menschen angepasst haben, seitdem sie mehr Zeit in Häusern und Vororten verbringen als auf Bauernhöfen. Leider gibt es derzeit keine Möglichkeit, das festzustellen: Im Mittelalter hat niemand Verhaltenstests an Katzen durchgeführt (obwohl sie laut einer kürzlich durchgeführten Analyse von Manuskripten aus dieser Zeit schon damals eine zentrale Rolle im täglichen Leben spielten). Und wir verfügen derzeit auch über keine Zeitreihe der DNA von Katzen aus verschiedenen Jahrhunderten, um zu sehen, ob sie sich noch immer weiterentwickeln.

Klar ist jedoch, dass Katzen eine Bindung zu ihren menschlichen Begleitern aufbauen können.

B.W. (Gastbeitrag).

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